Donnerstag, 24. September 2009

Die Liebe


Eines Tages entschloss sich der Wahnsinn, seine Freunde zu einer Party einzuladen.

Als sie alle beisammen waren, schlug die Lust vor, Verstecken zu spielen.

"Verstecken? Was ist das?", fragte die Unwissenheit.

"Verstecken ist ein Spiel: einer zählt bis 100, der Rest versteckt sich und wird dann gesucht", erklärte die Schlauheit.

Alle willigten ein bis auf die Furcht und die Faulheit.

Der Wahnsinn war wahnsinnig begeistert und erklärte sich bereit, zu zählen.

Das Durcheinander begann, denn jeder lief durch den Garten auf der Suche nach einem guten Versteck.

Die Sicherheit lief ins Nachbarhaus auf den Dachboden, man weiß ja nie.

Die Sorglosigkeit wählte das Erdbeerbeet.

Die Traurigkeit weinte einfach so drauf los.

Die Verzweiflung auch, denn sie wusste nicht, ob es besser war sich hinter oder vor der Mauer zu verstecken.

"...98, 99,100!" zählte der Wahnsinn. "Ich komme euch jetzt suchen!"

Die erste, die gefunden wurde, war die Neugier, denn sie wollte wissen, wer als erster geschnappt wird und lehnte sich zu weit heraus aus ihrem Versteck.

Auch die Freude wurde schnell gefunden, denn man konnte ihr Kichern nicht überhören.

Mit der Zeit fand der Wahnsinn all seine Freunde und selbst die Sicherheit war wieder da.

Doch dann fragte die Skepsis: "Wo ist denn die Liebe?"

Alle zuckten mit der Schulter, denn keiner hatte sie gesehen.

Also gingen alle suchen. Sie schauten unter Steinen, hinterm Regenbogen und auf den Bäumen.

Der Wahnsinn suchte in einem dornigen Gebüsch mit Hilfe eines Stöckchens.

Und plötzlich gab es einen Schrei! Es war die Liebe.

Der Wahnsinn hatte ihr aus Versehen das Auge rausgepiekst.

Er bat um Vergebung, flehte um Verzeihung und bot der Liebe an, sie für immer zu begleiten und ihre Sehkraft zu werden.

Die Liebe akzeptierte diese Entschuldigung natürlich.

Seitdem ist die Liebe blind und wird vom Wahnsinn begleitet.

(Verfasser unbekannt)

4 Kommentare:

  1. Das ist aber auch schööön. Hat ja schon fast einen philosophischen Ansatz. Das Kopfgewitter scheint sich ja glücklicherweise verzogen zu haben. Grad erst gelesen,bin glaub ich schlecht sortiert.
    Und neugierig bin ich auch... gibt es vielleicht schon eine Ecke von einem kreativen Projekt zu sehen?
    Würd ja so gern durch´s Schlüsselloch schauen ;)

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  2. Hundertprozentig!
    Mich würde mal interessieren, wie die Liebe so drauf war, als sie noch alleine durchs Leben spaziert ist?! Ich behaupte damals war alles vielleicht ein bisschen einfacher mit der Liebe, aber auf jeden Fall auch laaaaangweiliger ;)

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  3. Frau Vivaldi
    und Lily,
    ja, ich finde auch beides sehr schön. Und sehr treffend.

    Stevielette,
    das Kopfgewitter hatte sich in der darauffolgenden Nacht nochmal gemeldet und mich für den nächsten Tag lahm gelegt, aber nun ist es vorbei. Zum Glück. Mich nimmt so ein Anfall immer so sehr mit, dass ich noch Tage später davon gut hab. Aber inzwischen geht es wieder bergauf. Muss ja. ;-)
    Wegen des kreativen Projekts: Ja, es gibt eins, aber ich hab vorsichtshalber alle Schlüssellöcher zugeklebt. :-)
    (Ich denke, Mitte der nächsten Woche ist es fertig und dann zeig ich es Dir natürlich.)

    Retronaut,
    vielleicht hast Du recht und es war langweiliger als es noch einfacher war, aber langweilig kann manchmal sehr erholsam sein, nämlich dann, wenn der Wahnsinn Überhand nimmt. Ich glaube, auf die richtige Mischung kommt es an. Wer das Rezept kennt: her damit! ;-)

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