Samstag, 7. November 2009

Emily

Gestern habe ich Emily kennengelernt. Emily ist vier. Emily hat Heidi. Und Emily mag Berliner ("Aber nur die Marmelade."). Emily erzählt mir mit großen Kulleraugen, dass "Bei Sky schon alles für Weihnachten aufbereitet ist." Emily lässt sich für einen Kinderriegel und für einmal Heidi gucken sogar freiwillig Fieber messen. Na ja, fast freiwillig. Als Heidi dann aus Angst vor dem Gewitter anfängt, bitterlich zu weinen und auch der Geißenpeter keine große Hilfe ist, sehe ich, wie Emilys Unterlippe verdächtig anfängt zu zittern. In dem Moment denke ich bei mir:
"Ach, kleine Emily, ich wünsche Dir, dass Du noch lange lange vier bleiben kannst."

Gestern hat Emily Bea kennengelernt. Bea ist vierzig. Na ja, ungefähr. Bea mag auch Berliner. ("Sogar das was um die Marmelade drumherum ist.") Bea ist konsequent unbestechlich. Da nützt auch keine Schokolade. Und Weihnachten kann Bea sowieso gestohlen bleiben. Bea hat auch Angst vor Gewitter, aber das würde sie niemals zugeben. Und auch keine einzige Träne wird das je verraten.

Ach könnte ich doch noch einmal vier sein ...

13 Kommentare:

  1. Ein guter Freund von mir hat mal gesagt: Was war das schön, als das Leben noch Stützräder hatte...
    Erwachsen werden tut weh, ist anstrengend, und macht alt. Echt mies, der Trick.
    Alles Liebe,

    Lily

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  2. Wie gern hätte ich manchmal meine Stützräder zurück ... *soifz*
    Wie kann man solchen miesen Tricks begegnen?
    Rücken gerade, Brust raus, Lächeln ins Gesicht und ab dafür? Ich versuchs mal.
    Dir auch alles Liebe :-)

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  3. Wer will nicht nocheinmal vier sein? In den Kindergarten gehen, den ganzen Tag spielen, eins werden mit den Geschichten die man hört oder sieht? Einfach man selber sein, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was die anderen deswegen über einen denken? Einfach sagen was man denkt und seinen Gefühlen freien Lauf lassen?
    Ich denke, jeder will vier sein, zumindest manchmal!

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  4. "... egal, was die anderen denken, ... seinen Gefühlen freien Lauf lassen"

    Erwachsenwerden ist wirklich ein mieser Trick.

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  5. So ihr Lieben mal ein "Schwank" aus Stevielettland. Ich gönne es mir mal "vier" zu sein. Dinge ausblenden, bei Filmen, Büchern weinen. Mal nicht erwachsen denken....
    Das ganze ist der Hintergrund von Stevielettland. Sicher muß man wohl oder übel große Teile erwachsen sein! Ich sehe es aber nicht ein alles andere aufzugeben!!

    Hoffe ihr finden ein Stück davon wieder!!
    Gönnt es euch.

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  6. "Wer will nicht noch einmal vier sein?"
    Ich! So jung und klein möchte ich nicht noch mal sein. Aber wenn ich die Chance bekäme die letzten 20 Jahre zu streichen...da würde ich schwer in grübeln kommen.

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  7. Lied Vom Kindsein
    – Peter Handke

    (Der Himmel über Berlin)



    Als das Kind Kind war,
    ging es mit hängenden Armen,
    wollte der Bach sei ein Fluß,
    der Fluß sei ein Strom,
    und diese Pfütze das Meer.

    Als das Kind Kind war,
    wußte es nicht, daß es Kind war,
    alles war ihm beseelt,
    und alle Seelen waren eins.

    Als das Kind Kind war,
    hatte es von nichts eine Meinung,
    hatte keine Gewohnheit,
    saß oft im Schneidersitz,
    lief aus dem Stand,
    hatte einen Wirbel im Haar
    und machte kein Gesicht beim fotografieren.

    Als das Kind Kind war,
    war es die Zeit der folgenden Fragen:
    Warum bin ich ich und warum nicht du?
    Warum bin ich hier und warum nicht dort?
    Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?
    Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum?
    Ist was ich sehe und höre und rieche
    nicht bloß der Schein einer Welt vor der Welt?
    Gibt es tatsächlich das Böse und Leute,
    die wirklich die Bösen sind?
    Wie kann es sein, daß ich, der ich bin,
    bevor ich wurde, nicht war,
    und daß einmal ich, der ich bin,
    nicht mehr der ich bin, sein werde?

    Als das Kind Kind war,
    würgte es am Spinat, an den Erbsen, am Milchreis,
    und am gedünsteten Blumenkohl.
    und ißt jetzt das alles und nicht nur zur Not.

    Als das Kind Kind war,
    erwachte es einmal in einem fremden Bett
    und jetzt immer wieder,
    erschienen ihm viele Menschen schön
    und jetzt nur noch im Glücksfall,
    stellte es sich klar ein Paradies vor
    und kann es jetzt höchstens ahnen,
    konnte es sich Nichts nicht denken
    und schaudert heute davor.

    Als das Kind Kind war,
    spielte es mit Begeisterung
    und jetzt, so ganz bei der Sache wie damals, nur noch,
    wenn diese Sache seine Arbeit ist.

    Als das Kind Kind war,
    genügten ihm als Nahrung Apfel, Brot,
    und so ist es immer noch.

    Als das Kind Kind war,
    fielen ihm die Beeren wie nur Beeren in die Hand
    und jetzt immer noch,
    machten ihm die frischen Walnüsse eine rauhe Zunge
    und jetzt immer noch,
    hatte es auf jedem Berg
    die Sehnsucht nach dem immer höheren Berg,
    und in jeder Stadt
    die Sehnsucht nach der noch größeren Stadt,
    und das ist immer noch so,
    griff im Wipfel eines Baums nach dem Kirschen in einemHochgefühl
    wie auch heute noch,
    eine Scheu vor jedem Fremden
    und hat sie immer noch,
    wartete es auf den ersten Schnee,
    und wartet so immer noch.

    Als das Kind Kind war,
    warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum,
    und sie zittert da heute noch.

    Liebe Grüße
    Annika

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  8. Chrisi,
    ich würde so gern nochmal vier sein. Das war, soweit ich mich erinnern kann, die schönste Zeit meines Lebens.

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  9. Stevie,
    Du bist mein großes Vorbild. In echt. :-)

    Annika,
    wow! Das drucke ich mir aus. Danke schön dafür. :-)
    (Und ich freue mich sehr, dass Du noch bei mir mitliest.)

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  10. *neugerigbin* Wie gehören Emily und Bea denn zusammen und ist noch was von den Berlinern übrig? ;)

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  11. Emily und Bea lernten sich rein zufällig kennen, weil Emiliy eigentlich hätte im Kindergarten sein sollen, aber wegen widriger Umstände das Haus hüten musste und Bea trotzdem unbedingt Emilys Mama besuchen wollte. Und nein, von dem Berliner (es war nur einer) ist nichts mehr übrig. Zur Erinnerung: Emily mag die Marmelade und Bea das was um die Marmelade drumherum ist. ;-)

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  12. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit besuche ich deinen Blog.. Ich finde bei dir immer Anregungen.. oft zum Schmunzeln, manchmal zum Weinen und immer zum Nachdenken...
    Graue, aber liebe Sonntagsgrüße
    Annika

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